Wonder Woman eine Mörderin? Das Bild der Helden dieser Erde ist angekratzt. Batman ist von Paranoia zerfressen. Die Helden sind zerstritten. Die Bedrohung von Brother Eye wird stärker. Doch damit nicht genug. Von weit her, aus einer anderen Realität, eilt eine Bedrohung heran, mit der niemand rechnen konnte.
Die Infinite Crisis ist eines jener Monumentalfilm-Ereignisse, wie sie sich nicht häufig in der Comic-Landschaft finden. Überbordende Bilder, Massenszenen auf einer Seite, eine getriebene Handlung, beinahe von den Ereignissen gejagt – ähnliche Comic-Ereignisse finden sich nur in Szenarien wie Rächer aller Zeiten oder das Crossover der Rächer und der JLA. In letzterer Veröffentlichung übernahm der Altmeister George Perez den Zeichenstift, langer Begleiter der Rächer. Ausflüge führten ihn auch in das untergegangene Crossgen-Universum. Mit den Titans oder auch Wonder Woman erkundete er das DC-Universum.
Vor dem Hintergrund jener besonderen Fertigkeiten von Perez, die verwirrend detailreiche Bilder entstehen lassen, ist nun Phil Jiminez der Erbe, jener der den Hang zu Massenszenen fortführt. Und Jiminez übernimmt dieses Erbe äußerst glanzvoll.
Einige der Massenszenen gehören in Postergröße gedruckt und eingerahmt – und wer derart versiert sein sollte beispielsweise in einer Schlachtszene in Metropolis alle Helden und Schurken beim Namen zu nennen, müsste einen Preis von DC erhalten.
Jiminez wird unterstützt von George Perez, Jerry Ordway und Ivan Reis. Die Hauptarbeit leistet Jiminez, aber es ist toll zu sehen, wie sehr die Bilder der drei anderen im roten Faden von Jiminez aufgehen und sich angleichen. Freilich sind ihre Stile noch erkennbar, besonders Perez kann sich nicht verstecken.
Insgesamt, wenn solche Könner aufeinandertreffen, ist das Ergebnis ein Höhepunkt im Superhelden-Comic.
Als besonders gelungene Figur sticht der alte Superman von Erde 2 heraus. Optisch wie auch von der Konzeption ist er sehr dicht geraten. Eine lange wie auch verzweifelte Geschichte hängt ihm an. Die Lois der anderen Erde stirbt. Ihr Tod ist ein endgültiger Bruch mit der Vergangenheit, ein Bruch den der Alte dem jungen Superman von Erde 1 anlastet. Diese Erde, unsere, scheint nur noch von Verderbtheit durchdrungen, belastet von Zorn, Furcht und Hass. Selbst eine Wonder Woman war zu einem Mord fähig.
Alt-Supies Charakterdarstellung hat echte Tiefe, er wirkt auf den Leser, während unser Supie ein bißchen blass bleibt.
Verantwortlich für die Geschichte ist Geoff Johns, der angesichts der zu verflechtenden Handlungsstränge und Charaktere eine sehr ausgetüftelte Handlung abliefern musste.
Der Einstieg fällt nicht unbedingt leicht, denn der Leser wird ins kalte Wasser geworfen. Keine lange Einleitung, das Debakel ist da, das Chaos gärt bereits. Für die Helden ist es ebenso groß, wie für den Leser. Ein bestürzter Batman muss miterleben wie seine Welt zusammenbricht, wie das, was er zum Schutz aufbaute, sich nicht nur gegen ihn, sondern gegen die Menschheit wendet.
Das Ende, die unabwendbare Apokalypse scheint nahe, der Untergang des DC-Universums. So scheint es jedenfalls. Zu diesem Zeitpunkt jagt die Handlung los. Plötzlich fügen sich erste Einzelheiten zusammen.
Johns belässt es nicht bei einer äußerst verschachtelten Handlung, die sich aufbaut wie jene ineinander gestapelten Puppen. Der alte Superman, Superboy Prime und Alexander Luthor agieren Seite an Seite. Zu Beginn sind ihre Motive identisch – so scheint es. Ihre Absichten driften auseinander. Ein Luthor bleibt immer ein Luthor, durchtrieben, immer den eigenen Plan verfolgend. Ein Superboy oder eine Superman ist auch zum Bösen fähig. Oder zum Wahnsinn. Superboy Prime ist kein harmloser Irrer. Er ist das, was von Superman manchmal von anderen Stellen her befürchtet wurde. Er ist der Auswuchs, den ein Batman fürchtete, der ursächliche Gedanke, warum Batman einen Ring mit Kryptonit für alle Fälle in seinem Inventar besitzt.
Aber dieser Superboy Prime ist noch mehr. Er ist eine mörderische Urgewalt. Sein Kampf gegen die Titans zeigt seinen Wahnsinn vollendet, seine Untat gegen den anderen Superboy ist der letzte Beweis. Sobald diese Gefahr erkannt ist, die stets größere Ausmaße anzunehmen scheint, mobilisiert Geoff Johns alle Kräfte: Alle Flashs, alle fliegenden Helden, alle Green Lanterns und noch mehr.
Kämpfe, Kämpfe, Kämpfe, gigantische Auseinandersetzungen, zwei Supermänner gegen Doomsday und zahlreiche andere Realitäten, die sich in unterschiedlichen kurzen Szenen manifestieren.
Eine wahnsinnig komplexe Handlung, die ein gesamtes Comic-Universum gründlich umgekrempelt hat, vielleicht nachhaltiger als der jüngste Civil War bei Marvel. In einem monumentalen Action-Kracher gelingt es Geoff Johns einige Charaktere mit Tiefgang in den Vordergrund zu stellen. Zeichner Phil Jiminez und seine Kollegen (die kleine Armee von Inkern und Koloristen nicht zu vergessen) haben eine Saga mit gigantisch praller Optik abgeliefert. Top! 😀
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