Montag, 28. November 2016
Vorbereitungen auf den Krieg. Einen neuen Krieg. Nachdem die Auseinandersetzungen mit der kleinen Armee um Negan zugunsten der Gruppe um Rick ausgegangen war, hat sich mittlerweile ein neuer Feind aufgetan, der nicht weniger unerbittlich ist. Der neue Feind ist außerdem merkwürdig. Die meisten Menschen werfen einen Blick zurück auf die alte, vergangene Zivilisation und wollen die besten Teile davon bewahren, bestenfalls in ein neues Licht setzen. Der neue Feind will all das nicht. Der neue Feind arrangiert sich mit den Toten und lebt das Recht des Stärkeren. Wer sich unterdrücken lässt, hat es nicht besser verdient. Wer sich nicht wehrt, stirbt. Und sollte Ricks Zivilisation eine unsichtbare Grenze überschreiten, ist ein Kampf unausweichlich.
Langsam nähern sich die Zeitschienen der Comic-Vorlage und der Fernsehumsetzung einander an. Wo auf dem Bildschirm der Bösewicht Negan derzeit für Furore sorgt, ist er hier noch ein Gefangener der Gemeinschaft um Rick. Autor und Erfinder von THE WALKING DEAD, Robert Kirkman, hätte nach der dramatischen Auseinandersetzung gegen die Armee von Negan, diesen Halunken auch endgültig auslöschen können. Ricks Leute hatten durch den Tod von Glen genügend Ansporn dazu. Doch aus dem Todesurteil sollte eine lebenslange Haft werden und eine dauernde Mahnung an Rick, endlich einen neuen Weg, fort von der allgegenwärtigen Gewalt zu beschreiten.
Wie sehr Gewalt zur Spirale wird und einen Kreislauf in Gang setzt, der kaum durchbrochen werden kann, hat Robert Kirkman zu einem Kernthema der Serie gemacht. Mit der Apokalypse kehrt nicht einfach der Wilde Westen zurück, sondern das innere Biest wird bei jeder Gelegenheit frei gelassen. Angeblich, weil es nicht anders geht. Absurditäten, Abgründiges, Brutales und Perverses hat seinen Eingang in die nun 26teilige Serie gefunden. Die menschenfressenden Untoten haben auch ihre Hauptbeute, den Menschen, zu Monstern werden lassen. Die oder wir. Auge um Auge. Die einfachen Lösungen waren Programm. Kaum versucht Rick den Kurs zu ändern, legt ihm Robert Kirkman einen gewaltigen Stein in den Weg.
Charlie Adlard, in stilistischer Nähe zu Sean Phillips, einem anderen erfolgreichen Comic-Künstler, hat in Sachen Zombie-Action hier deutlich weniger zu tun als sonst. Wie gesagt, es macht sich bemerkbar, wer das wahre Monster ist. Deshalb liegt der Fokus auf den verfeindeten Parteien, die beide in dichten Szenenfolgen näher beleuchtet werden. Dabei wendet sich Charlie Adlard auch neuen Charakteren zu, so auch Beta, der zweite Mann in der Rangfolge der Flüsterer, dessen Gesicht immer unter der Haut eines Toten verborgen bleibt. Robert Kirkman spielt zwar manchmal mit Stereotypen, aber diesen Bond-Bösewicht, einen typischen Killer und Handlanger, gibt er durch Kleinigkeiten die nötige Tiefe. Und nimmt ihm dennoch nichts von seiner Bösartigkeit.
Gnädiges Schwarzweiß. Ja, es gibt weniger Zombie-Action, aber kaum weniger Horror. Was vielleicht einmal ein Markenzeichen abseits des Mainstreams war, In dieser Hinsicht hatte Charlie Adlard einmal mehr zu tun, jetzt ist die Bedrohung zwar vorhanden, aber ihr Auftreten plötzlicher geworden, schockierender auch, da die beiden Comic-Macher, Kirkman und Adlard, den Leser gelernt haben, in Sicherheit zu wiegen. Entsprechend stärker wirkt die Inszenierung entsprechender Szenen durch Adlard, wären sie von Cliff Rathburn, verantwortlich für die Graustufen, in Farbe getaucht, weil es sich um beinharte Splatterszenen handelt, die der Bildschirmumsetzung in Nichts nachstünden.
Der Wendepunkt ist erreicht. AN DIE WAFFEN lautet der Untertitel der 26. Folge. Der zweite Auslöser für einen Krieg ist nun vorhanden. Robert Kirkman wird sehr bald seine Helden erneut in die Schlacht schicken. Wie er dies hier vorbereitet, ist ein purer Thriller. Heftig, aber sehr spannend. 🙂
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Sonntag, 22. Mai 2016
Der Schock: Köpfe von Verwandten, Freunden, geliebten Menschen bilden eine territoriale Grenze. Man glaubte an die gewonnene Sicherheit. Man feierte neuerdings das Leben. Bei aller Vorsicht dachte man, die Zivilisation kehre langsam zurück. Normalität, friedliches Leben, kaum gefährlicher als in der afrikanischen Savanne oder einer anderen Wildnis. Aber da draußen gibt es einen Feind, der ein völlig anderes Lebensprinzip für sich entdeckt hat. Der an die Stärke glaubt. Der daran glaubt, man könne sich mit den Untoten und den Härten dieser neuen Welt arrangieren. Der die Gemeinschaft um Rick Grimes für eine Bedrohung hält. Ein neuer Krieg ist in greifbare Nähe gerückt.
UNTER WÖLFEN: Autor Robert Kirkman hat mit seinem Helden Rick Grimes bereits verschiedene Anführerstadien durchlaufen. Obwohl die Figur ein ehemaliger Polizist ist, mit Disziplin, einem Gerechtigkeitssinn und viel Mitgefühl vorbelastet, ist Rick Grimes nicht automatisch der Leader in die Wiege gelegt worden. Diese Eigenschaft hat er über einen langen Zeitraum lernen müssen. Meist konnte er über eine Vorbildfunktion seinen Status festigen. Eine Gewaltherrschaft nach dem Muster Negans, dem Mann, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, hat Rick Grimes nie angestrebt. Auch wollte er nie den Weg der Manipulation nehmen. Doch ausgerechnet in diesen brisanten Zeiten, als ein neuer Feind erstarkt, sieht Rick Grimes, der Ex-Polizist, keine andere Möglichkeit, als einen Ratschlag Negans anzunehmen.
Ein gemeinsamer Feind verbindet, so heißt es. Die Vernichtung des Gegners wird zum Ziel der neuen Gemeinschaft, die sich so viel aufgebaut hat und sogar schon einen Jahrmarkt abhielt, ein Wiederaufleben der früheren Zivilisation sich zu festigen beginnt. Autor Robert Kirkmans Erfolgsgeheimnis liegt nicht nur in dem richtigen Riecher für den richtigen Stoff zur richtigen Zeit. Kirkman schafft Figuren, die es sich nicht leicht machen. Das Für und Wider wird häufig lange abgewogen. Skrupel sind immer noch zugegen, obwohl eine Situation ein rigoroses Vorgehen erfordert und es manchmal keine andere Wahl geben kann, als den Tod einer anderen Person in Kauf zu nehmen. Mit Rick Grimes ist ein Charakter entstanden, der wohl zu jenen Figuren gehören dürfte, die trotz vieler Verluste immer noch mit sich selbst hadert.
UNTER WÖLFEN behandelt genau diesen inneren Kampf, der durch das Verlangen der Menge, die nach Rache schreit, ohne die Konsequenzen genau zu durchdenken, noch angestachelt wird. Der Aufbau ist strikt, aber durch einige Seitenstränge (auch nach einer derart langen Seriendauer) nicht vorhersehbar. Zeitweilig schockiert Kirkman seine Leser, aber er bleibt in Sachen Horror in dieser Episode deutlich hinter anderen Folgen zurück. Auch die Zombies, die Beißer spielen kaum eine Rolle in dieser Folge. Der Mensch ist des Menschen Wolf. Das beliebte Zitat scheint die Grundlage für die Titelwahl gewesen zu sein, denn tatsächlich ist der Mensch sich hier einmal mehr Feind genug.
Grafisch kennt Zeichner Charlie Adlard seine Figuren aus dem FF. Der Leser darf sich hier weiterhin auf eine versierte Darstellung freuen, in der die Charaktere Gefühl zeigen dürfen, denn wie gesagt, die Action ist diesmal etwas in den Hintergrund gerückt. Aber angesichts der Planungen innerhalb der Handlung wird es kaum dabei bleiben.
Hier werden die Weichen für die Zukunft der Serie neu ausgerichtet, wichtige Entscheidungen gefällt. Die Hauptfigur, Rick Grimes, muss sich ein Stück weit neu erfinden, denn auch der neue Gegner ist ganz anders, als er jemals in der Serie auftauchte. Beste Voraussetzungen für weitere spannende Folgen. Serienerfinder Robert Kirkman führt die Handlung mit unverbrauchten Ideen fort. 🙂
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Freitag, 26. Februar 2016
Das Wesen greift an. Die Männer der Expedition stehen unter Schock und es vergehen wichtige Augenblicke, ehe sie sich zur Gegenwehr aufraffen. Dann krachen die Schüsse. Pistolen und Gewehre können die Kreatur aufhalten. Doch wie anders sie ist! Und wie seltsam! Das ist kein Indianer von einem bekannten Stamm. Das ist überhaupt nicht menschlich. Einer der beiden Anführer der Expedition, Lewis, entschließt sich zu einer Obduktion. Das Ergebnis ist unglaublich und rührt an den Grundfesten des Wissenschaftlerverstandes …
MANIFEST DESTINY, aus deutscher Sicht ein ungewöhnlicher Comic-Titel, der aber vor dem Hintergrund der amerikanischen Geschichte rasch an Bedeutung gewinnt. Unter der offensichtlichen Bestimmung wird der göttliche Auftrag Amerikas zur Expansion verstanden. Es ist keine bestimmte Doktrin, mehr ein Deckelbegriff, der die Ausbreitung der Einwanderer auf dem nordamerikanischen Kontinent betrifft und heute schon in den Weltraum weist. Damals jedoch beschrieb dieses Manifest auch ein Abenteuer in unerforschte Gegenden, wo kaum ein Weißer je gewesen war.
Im Mai 1804 starteten Meriwether Lewis und William Clark jene Expedition, die in keinem amerikanischen Geschichtsbuch fehlen darf. Von Thomas Jefferson höchstpersönlich beauftragt, sollten sie eine Passage zur Pazifikküste zu finden. Autor Chris Dingess verfährt mit seiner Interpretation dieses historischen Ereignisses fast wie Richard Adams Locke, der in einer Zeitung im Jahre 1835 die legendäre Entdeckung der Fledermausmenschen auf dem Mond beschrieb. Chris Dingess macht aus der amerikanischen Landschaft, beginnend bei einer frühen Form des Gateway Arch, jenes riesigen architektonischen Bogens, der in St. Louis auf eben jenen Ausgangspunkt der Lewis-und-Clark-Expedition verweist, etwas ähnliches.
Hier ist die Form nicht glatt metallen, vielmehr überwuchert von einer fantastisch wachsenden Flora, die mehr begräbt, als bloß bedeckt. Wirken die Gewächse teilweise bedrohlich, schlägt die Fauna sofort gewaltig und zumindest auf eine etwas ästhetischere Art zu. Wenn das Endergebnis für so manchen Teilnehmer der Expedition gleichermaßen final ist. Zeichner Matthew Roberts schickt seine Charaktere in einem Design auf die Reise, das in Ansätzen an die Arbeiten eines Richard Corben (BIG FOOT) erinnert. Matthew Roberts ist aber verspielter, seine Figuren jugendlicher. Hier ist die Anlehnung an einen Tony Moore (The Walking Dead, die frühen Ausgaben), vor allem in Hinsicht auf die Detailversessenheit, größer.
Kampf gegen die Natur. Nicht jede Kreatur, die sich Kriegsbemalung anlegt, ist auch gleich ein amerikanischer Ureinwohner. Was Matthew Roberts zu Papier bringt, sind gigantische Wesen, mit griechisch mythologischen Anklängen und (hier passt der Vergleich zu Arbeiten von Tony Moore sehr gut) Zombies, allerdings von der grünen Fraktion. Denn ein geheimnisvolles Wesen, dessen Macht sich immer weiter ausbreitet, assimiliert die Fauna, egal ob Mensch oder Tier. Einmal infiziert gibt es keine Heilung mehr. Diese zombifizierten Wesen werden, da es sich um eine abenteuerlich fantastische Horrormär mit Wildwestfeeling handelt, zeitweilig in einer ganzseitigen oder halbseitig ausgeführten Darstellung gefeiert.
Grüne Zombies haben ihren Reiz. Parallelen zum Schocker The Last Of Us werden da wach. Chris Dingess, Matthew Roberts und Kolorist Owen Gieni packen diese Idee noch verschärfter an. Die Ausweitung auf Tiere wie Ratten, Grizzlys, Hirsche erhöht den Grusel und die Bandbreite der optischen Unterschiede ist enorm. Fast mag man eine Alptraumvision von Giuseppe Arcimboldo glauben, der Portraits mittels zusammengesetzter Gemüse, Obst und Blumen schuf. Soll heißen, dass den Ideen der Macher von MANIFEST DESTINY keinerlei grafische Grenzen auferlegt werden.
Ein sehr einfallsreicher Horrorknaller, der durch die Genres tanzt und mit ihnen spielt. Chris Dingess verwirklicht zusammen mit Matthew Roberts und Owen Gieni seine ganz eigene Geschichte der Eroberung des amerikanischen Westens. Hier ist, gemessen an den bisherigen Ideen, noch alles möglich. 🙂
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Sonntag, 14. Februar 2016
Xavier ist eine ehemalige weibliche Sicherheitsbeamtin. Als Zombie besitzt sie einen besonderen Stellenwert. Denn sie hat sich einen Funken Intelligenz bewahrt und ist sogar in der Lage mit Menschen so etwas wie Freundschaften zu schließen. Und das ist für jemanden, der zur Sorte von Untoten gehört, die sonst hungrig auf Menschenfleisch sind und über die Lebenden herfallen, etwas ganz besonderes. Die Ärztin Penny Jones hat sich ausführlich mit den Zombies beschäftigt. Intelligenz bei den Untoten zu finden, gehört zu ihren Hauptaufgaben. Die Bindung an einen Menschen bei Xavier festzustellen, ist ermutigend, gleichzeitig aber verkompliziert es die weitere Vorgehensweise, denn das Mädchen Jo, zu dem Xavier Vertrauen gefasst hat, wurde entführt.
EMPIRE OF THE DEAD: Mit dem dritten Teil der Saga um das Reich der Untoten schließt Zombie-Altmeister George A. Romero seinen hoffentlich nicht letzten Ausflug in das Medium Comic vorerst ab. Der Ausbruch der Zombieseuche hat eine andere Sorte Untote dazu bewogen, sich einer kleinen Minderheit zu offenbaren: Vampire. Hinter den Kulissen haben ein paar dieser Kreaturen die oberen Etagen der Macht erobert, wo sie alles daran gesetzt haben, den Menschen innerhalb der engen Grenzen Manhattans zufrieden zu stellen und so die eigene Nahrungsversorgung zu sichern, bevor diese durch Zombies endgültig vernichtet wird.
Gleich zwei Horror-Genres mit einer Klappe. Wer den Romero-Schocker Land Of The Dead gesehen hat, kann sich ungefähr die vorherrschende Atmosphäre der Trilogie und insbesondere dieser Geschichte vorstellen. Denn hier geht alles den Bach runter. Das peinlichst genau gehaltene Gleichgewicht der Kräfte, von der vampirischen Oberschicht stets im Blick behalten, zerbricht durch innere und äußere Einflüsse. Blut und Geld sind am Ende Schuld am Untergang. Aber auch der Untergang wird verwaltet und so gibt es ebenfalls welche, die einmal mehr auf der entstehenden Flutwelle davon reiten. George A. Romero erzählt filmisch. Er kennt die Praktiken und setzt diese im Medium Comic, dem Film medial am nächsten, ebenso gekonnt ein.
Deshalb funktionieren die Charakterbeschreibungen, sorgsam eingefügt, und die Entwicklung der Figuren so gut. Gerade im Hinblick auf einen geistig halbwachen Untoten war dies wichtig. Romero hat sich schon in Day Of The Dead mit dieser Thematik beschäftigt, hier ist die Ausführung besser und konsequenter.
Andrea Mutti, der bereits für die MARVEL ZOMBIES arbeitete, bewegt sich hier auf einem etwas ernsthafteren Schockerterrain. Ein leichter Strich wird mitunter durch harte Schatten verstärkt. Schattenrisse in den meist nächtlichen Szenen sorgen für ein düsteres Ambiente, das durch die späteren Explosionen und Überfälle in ein apokalyptisches Szenario wechselt. Zombies sind hier eine Gefahr unter vielen, die fast und im schlimmsten Fall im schlechtesten Moment vergessen wird. In der zweiten Hälfte erhöht sich der szenische Drive. Romero hat die Geschwindigkeit deutlich angekurbelt. Andrea Mutti hält den Hauptdarstellern die Kamera geradewegs vor das Gesicht, Zombies und Vampiren inklusive, bevor er wieder Abstand hält und das Feuer den Hintergrund für heranmarschierende Untote bildet.
Ein Knaller von George A. Romero, von dem sich abschließend sagen lässt, dass er auf der Kinoleinwand genauso gut funktioniert hätte, hier die Produktion aber kostengünstiger und schneller vonstatten gegangen ist. Bleibt für den Zombie-Fan zu hoffen, dass Romero eine weitere Gelegenheit dieser Art erhält, um sein Weltuntergangsuniversum zu komplettieren. 🙂
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Freitag, 08. Januar 2016
Ein Markt, ein gemeinsames Fest, organisiert über die Grenzen der Dorfbefestigungen hinaus. Es gibt wieder Handel. Die Straßen werden sicherer, die Gefahren überschaubarer. Die Menschen trauen es sich, ein Lachen anzustimmen. Sie haben gelernt, mit dem Feind umzugehen. Doch am Horizont braut sich etwas zusammen. Rick Grimes, der glaubte, der Kampf gegen Menschen wie Negan gehöre der Vergangenheit an, wird von einem neuen Gegner vollkommen überrumpelt. In seinen kühnsten Träumen hätte er es sich nicht träumen zu lassen, einem derartigen Feind gegenüberzustehen. Vielleicht sogar einem Feind, der ihn geradezu einlädt, sich gegen ihn zu wehren.
Robert Kirkman präzisiert den neuen Feind, der sich der bisherigen Kultur zu entziehen scheint und auch gar nicht danach trachtet, jemals wieder auf den alten Pfad der bekannten Zivilisation zurückzukehren. Für diesen neuen Gegner ist ein Jahrmarkt nichts weiter als eine Farce, die nicht mehr in dieser Zeitalter gehört. Die gefährliche Atmosphäre schaukelt sich nur langsam hoch. Der Leser darf die Anführerin des Feindes beobachten, ihre Machenschaften erahnen und schließlich … Mehr wird nicht verraten. Das Ergebnis ist in jedem Fall unvorhersehbar und für die Helden um Rick Grimes ein großer Schock.
Nach den ersten Begegnungen war nicht abzusehen, wohin Robert Kirkman die Geschichte führen würde und ob diese Gesellschaftsordnung, die er hier zeigt, in der Erzählung funktionieren würde. Er mischt archaische Strukturen mit einem Leben unter Zombies. Man könnte es ein perverses Dschungelbuch nennen, mit vielen Mowglis, die sich unter Wölfen verstecken oder gleich unter einer Horde aus Tigern, die sie jederzeit fressen würden. Sprüche wie Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit erhalten eine völlig neue Bedeutung, wenn sich diese Flüsterer in verwesenden Masken aus Menschenhaut unter den Beißern bewegen und diese sogar bis zu einem gewissen Grad zu lenken vermögen.
Unzweifelhaft ist diese Situation, die Robert Kirkman hier hinterlässt bzw. für seine Helden aufbaut, eine der gruseligsten seit langem. Sicherlich gab es häufiger den blanken Horror und auch diese 24. Episode, Leben und Tod, verzichtet nicht darauf. Aber der Schauer, der hier in mancher Szene zelebriert wird, bleibt länger in Erinnerung. Charlie Adlard, langjähriger Zeichner der Serie, muss wie so oft zuvor auf die Menschen, die Charaktere eingehen. Im Sinne einer Zelebrierung gibt es ganzseitige oder halbseitige Ausreißer. Genauer benannt werden dürfen Szenen mit Gregory, dem vorgeworfen wird, einen Mordanschlag auf Maggie verübt zu haben. Neben den Flüsterern führt sein Schicksal ebenfalls eine Wende in den neueren Entwicklungen herbei.
Sie leben! Die unterschiedlichen Entwicklungen der Comicserie und der Fernsehserie haben dazu geführt, dass in dieser jüngsten Episode der Comic-Erzählung immer noch Charaktere unter den Lebenden weilen, die der Fernsehzuschauer bereits vermisst. Während Andrea und Sophia im TV den Untoten zum Opfer fielen, haben sie hier weiterhin ihre Rollen zu erfüllen. Von Glenn hingegen, in beiden Serien eine höchst beliebte Figur, mussten sich die Comic-Fans wegen des brutalen Mordes durch Negan verabschieden. Anfangs war ich skeptisch über die verschiedenen Richtungen, die Robert Kirkman in seinen beiden Serien beschritt. Aus jetziger Sicht (und für die Produktionsfirmen auch aus finanziellen Erwägungen) halten diese Entwicklungen aber auf beiden Schienen die Spannung aufrecht.
Mehr noch: Die Charaktere (sofern sie noch leben, versteht sich) haben jeweils eine deutliche Veränderung zu ihrem jeweiligen Pendant erfahren. Dabei spielen nicht nur abweichende Erfahrungen eine Rolle. Es ist interessant zu sehen, wie ein Autor sich selbst ein Ultimatives Universum schafft (comicsprachlich ausgedrückt) und seine Figuren so in noch mehr Geschichte ausprobieren kann.
Der Umschwung zur nächsten Storyline ist komplett vollzogen. Die 24. Folge endet mit einem brutalen Cliffhanger, der allerdings einiges für das zukünftige Zombie-Drama verheißt. Robert Kirkman erfindet die Serie ein Stück weit neu. Sehr gut. 🙂
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Samstag, 28. November 2015
Das ewige Leben kann ein Fluch sein. Das gilt für die jeweilige Person und für jeden, der das Pech hat, mit zusammen zu treffen. Was haben Cassie und Vlad nicht alles getan, um diesen Slasher endlich unter die Erde zu ringen. Meist dauerte es nicht lange. Dann ist dieses Monster wieder unterwegs, um sein Werk fortzusetzen. Die beiden Jäger des Bösen haben schon viele Killer zur Strecke gebracht. Vielleicht zu viele, weil Cassie und Vlad einfach müde sind und freiwillig bereit sind, eine Nacht in einer Zelle des Polizeireviers zu verbringen. Es hätte funktionieren können, hätten die Polizisten ihren Job etwas ernster genommen. Und hätten sie mehr auf die Worte von Cassie Hack vertraut.
SLASHER. Ein irrer Killer, lebender, untoter oder überhaupt kein Mensch, der ohne bedeutsame Motivation Menschen jagt und tötet. Dabei geht er nicht sehr zimperlich mit seinen Opfern um. Bekannte Vertreter dieser Wesen werden häufig beim Vornamen gerufen, wie Jason, Freddy oder Chucky. Aber es gibt eben auch Jäger, die Jäger jagen und dazu gehören Cassie Hack und ihr hoch gewachsener Freund Vlad. Cassies Mutter war ein Slasher. Vlads gesamte Familie gehört dieser merkwürdigen Spezies an, von denen sich nie sagen lässt, in welcher Gestalt sie demnächst umgehen werden.
Wer die Abenteuer der beiden Monsterkiller verfolgt hat, hat auch nach und nach mehr über die Vergangenheit der beiden erfahren. Nach Lektüre der 13. Ausgabe der Reihe, Untertitel: DIE DUNKLE SEITE, hat der Leser einiges mehr über Vlads Verwandtschaft gelernt, die allesamt Kannibalen sind. Man kann sich seine Verwandten eben nicht aussuchen. Mastermind Tim Seeley, Cassies Erfinder, meldet sich in dieser Ausgabe nur mit einer Geschichte zu Wort. Die Erzählung über Vlads furchtbare Geschwister überlässt er Justin Jordan. Zusammen mit Zeichner Daniel Leister treibt er die Konzeption von Vlad, dessen monströses Aussehen Cassie zu Beginn der Reihe noch schockierte, auf die Spitze. Denn Vlads Erscheinungsbild ist gegenüber seiner Verwandtschaft vergleichsweise harmlos und normal zu nennen.
Grafisch sehr schön geworden ist die Episode um den unsterblichen Killer, gezeichnet von Gastkünstler Emilio Laiso. Sein Titelbild zur Folge HACK/SLASH/REPEAT, feiner noch ausgeführt als der Rest des Horrorthrillers, lässt vermuten, was er auf die Beine stellen könnte, hätte er noch mehr Zeit für seine Arbeit. So aber bleibt eine Folge, die ausgezeichnet getuscht und koloriert, ein Höhepunkt des vorliegenden Bandes ist. Geschrieben von Tim Seeley und Michael Moreci wäre es schön, eine Fortsetzung dieses Abenteuers zu sehen. Seeley und Moreci lassen diese Möglichkeit jedenfalls offen. Obwohl ja nahezu jeder Slasher das Auferstehungsgen in sich trägt.
Auftritt: MERCY SPARX. Jung, hübsch, rote Haut, Hörnchen. Die Teufelin ist nicht die erste Braut, die einen Job für die Gegenseite übernehmen. MERCY SPARX sollte für den Himmel einst abtrünnige Engel jagen. Nun ist sie die nächste in einem illustren Reigen der Gastauftritte in HACK/SLASH. Ihrem Aussehen nach stiftet sie zunächst Verwirrung. Für Cassie Hack und Vlad ist sie nichts anderes als ein weiterer Slasher, die sich bislang auch nicht scheuten, besonders schön daher zu kommen. Die attraktivsten Frauen konnten erst recht brutal sein.
Nun stehen zwei Frauen des gleichen Schlages auf derselben Seite und haben einen Gegner vor sich, der wohl die ungewöhnlichste Kleidung in dieser langen Reihe trägt. (Und es waren sehr ungewöhnliche Auftritte hier zu verzeichnen.) Knackig, gerafft erzählt, mit neuem Team-Up, trifft Cassie hier auf ein Hellgirl. Die Episode könnte vor allem Fans der Serie Supernatural gefallen.
Eine rundum gelungene Weiterführung der Serie, wie mit guten Ideen versehen, durchweg unterhaltsam. Grusel und Spannung wechseln sich mit gut einstudiertem Slasher-Thriller-Spaß ab. Für Fans, die schon ein wenig mehr über Cassie und Vlad Bescheid wissen. 🙂
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Link: Emilio Laiso auf Facebook.
Sonntag, 06. September 2015
Hadley’s Hope. Der Planet wurde besiedelt, um eine Arbeitsmannschaft für das Terraforming vor Ort zu haben. Mit einer aggressiven Lebensform wie den schwarzen Kreaturen mit der skelettartigen Struktur hat niemand gerechnet. Die letzten überlebenden Menschen sind auf der Flucht. Einzige Rettung verspricht ein abgehalftertes Schiff, einzig genutzt zum Frachttransport. Die Flüchtigen verlassen den Mond um den Planeten Calpamos. Die kurze Reise ist schwierig, weil das Schiff für derlei interplanetare nicht konzipiert wurde. So wird aus der Flucht am Ende ein kontrollierter Absturz. Aber die neu gefundene Sicherheit ist nur von geringer Dauer.
Es gibt realistische Zeichnungen und … es gibt realistische Zeichnungen. Patric Reynolds gehört zu jenen Comic-Künstlern, die Bilder in der Form zu Papier bringen, als habe es eine filmische Vorlage gegeben und die Grafiken seien auf der Grundlage von Filmszenen nachgezeichnet worden. Daraus ergibt sich für das Endprodukt eine ungeheuer dynamische und kraftvolle Optik, in der Bewegungen und Charaktere sehr greifbar sind. Die Zeichnungen funktionieren darüber hinaus besonders gut, da mit dem Koloristen Dave Stewart ein weiterer Künstler zur Seite steht, der mit dieser Art von sehr intuitiver Zeichenweise aus langer Erfahrung hervorragend umzugehen versteht.
Genrefans kennen Dave Stewart aus seinen Zusammenarbeiten mit Richard Corben und Guy Davis (B.U.A.P.). Einem deutlichen Tuschestrich mit dem Pinsel setzt Stewart eine ebensolche organisch natürliche Farbgebung gegenüber. Das erinnert im Endergebnis an die Arbeiten von Sean Phillips (Sleeper), der ähnlich rasant über die Seiten zu huschen scheint und ebenso wie sein Kollege Patric Reynolds mit einem fulminanten Gesamteindruck aufwartet.
Eine Welt, in der zu überleben nicht die beste Lösung ist. Verschmelzungshorror ist eines der Stichwörter dieses zweiten Teils des SciFi-Horror-Abenteuers von FEUER UND STEIN. Eine schwarze Flüssigkeit, offensichtlich ein Evolutionsbeschleuniger, schafft nicht nur die Umwandlung einer Spezies, sie vereint auch zwei verschiedene Organismen auf skurrile und grauenhafte Weise. Autor Chris Roberson bedient sich hier eines Horrors, dessen Wurzeln in Horrorklassikern wie Die Fliege zu finden sind, in Die Insel des Dr. Moreau gerne wieder aufgegriffen wurde und zur Zeit im B-Movie wieder Kapriolen schlägt. Eine Mixtur aus Mensch und Alien bildet eindeutig eine der Spitzen dieses Genreablegers. Patric Reynolds weiß die Nerven des Lesers mit grafischen Umsetzungen dieser Zwitterkreaturen gehörig zu strapazieren.
Chris Roberson erzählt eine zweite Hälfte der Extraklasse. Die Verschmelzung wird zu einer Bedrohung, der sich nicht mehr entkommen lässt. Eine alienähnliche Kreatur mit menschlichen Erinnerungen kennt die Jäger einerseits, die Beute andererseits und hat keinerlei Mühe, sich gegen beide zur Wehr zu setzen und sich an die Spitze der Nahrungskette aufzuschwingen. Langsam kommt einer der Charaktere hinter die Geheimnisse des Mondes und seiner evolutionären Fallen, die schließlich sogar eine gewisse, sehr trügerische Hoffnung bereit halten.
Ein grafischer Hammer, eindringlich gemalt, mit Bildern, die den Alien-Horror hervorragend transportieren wie lange nicht. Stark erzählt, auch ohne Kenntnis des Vorgängerbandes zur ungetrübten Spannungslektüre geeignet. 🙂
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Freitag, 21. August 2015
Lord Henry Baltimore erlebt die Schrecken des Ersten Weltkriegs hautnah auf schlammigen und blutüberströmten Schlachtfeldern mit. Eines Nachts, dem Tode nah, schlägt das Grauen mit aller Macht zu. Der Mann, der glaubte, dem Tod längst ins Augen geblickt zu haben, steht plötzlich dem Übernatürlichen gegenüber: Vampire. Die Kreaturen fallen des Nachts über die Schlachtfelder her und berauben die bereits Verstorbenen und die tödlich Verletzten ihres Blutes. Baltimore will sich nicht kampflos ergeben, will nicht als Nahrung für dieses Ungeheuer dienen. Mit letzter Kraft bäumt er sich auf und ergreift ein in der Nähe liegendes Bajonett. Ein Hieb mit der langen Klinge hinterlässt eine tiefe Wunde im Gesicht des Angreifers. Die Monster ziehen sich zurück. Vorerst.
Mike Mignola schrieb vor einigen Jahren zusammen mit Christopher Golden über Lord Baltimore, den standhaften Zinnsoldaten, der einbeinig durch die Welt streift, immer auf der Suche nach dem Bösen, um es endgültig aus dieser Welt zu vertreiben. Die Geschichte wurde nun mit Zeichner Ben Stenbeck und Kolorist Dave Stewart, einem Veteranen in den geistigen Welten von Mike Mignola in eine reine Comic-Form übertragen. Bereits damals steuerte Mike Mignola Illustrationen in seiner gewohnten Manier zum Baltimore-Universum bei. Ideen zum Aussehen dieser Schauermär existierten also schon.
Eine düstere Epoche, obwohl historisch nur kurz an Jahren, breitet sich vor dem Leser aus. Aus der Verteidigung gegen einen Vampir wird eine Kampfansage und der Ausbruch eines noch zerstörerischen Krieges gegen die gesamte Menschheit. Eine starke Schattengebung zeichnet die Arbeiten von Mike Mignola seit langem aus. Da er grafisch seit Jahren kürzer tritt, sind ihm Künstler gefolgt, die seine Visionen stilistisch ähnlich auszuführen vermögen, ohne ihre eigene künstlerische Identität zur Gänze aufzugeben. Ben Stenbeck trifft den Ausdruck Mignolas, ohne dessen abstrakten Vorgaben zu sehr zu befolgen. Stenbecks Arbeiten sind realistischer, lassen den Zuschauer näher an das Grauen dieser gezeigten Welt heran.
Atmosphärisch findet sich der Leser in der guten alten Zeit der Horrorunterhaltung wieder. Es fühlt sich nach Hammer Productions an, nach Edgar Allan Poe und H. P. Lovecraft, nach Ray Harryhausen. Mike Mignola hat neben seiner Begeisterung für übernatürliche Legenden häufig bewiesen, wie sehr er klassische Erzählumgebungen einer modernen Kulisse vorzieht. So bewegt sich Ben Stenbeck bildhaft in Gegenden, in den Dracula gleich hinter der nächsten Ecke hervorspringen könnte. Die Riesenkrabben am Strand können als Hommage an Ray Harryhausen verstanden werden oder als Hinweis auf eine denkwürdige Szene, die Stephen King für den Revolvermann erdacht hat.
Direkt und überhaupt keine Anspielung mehr ist der Auftritt von Edgar Allan Poe selbst, wenn auch nur als Kopf. Ebenso ist der Auftritt des Roten Todes ein weiterer Hinweis auf den Gruselmeister und sein Schaffen, das Mignola und Golden hier zitieren wie auch weiterentwickeln.
Moderne Monster, interessante Neuerfindungen und die gruseligsten Nonnen, die je eine Horrorerzählung bevölkerten. Wenn das Böse um seine schlechten Qualitäten weiß, sich selbst der Bestrafung zuführt, dann entstehen starke Momente, gruselige, gepaart mit Traurigkeit. Natürlich sind die hier auftretenden Wesen, von klassisch (Vampire, Werwölfe) bis kultig anders, auch brutal und gehen nicht gerade zimperlich mit ihrer Beute um. Aber im Zuge einer reduzierten Darstellung wird auch nicht jedes Detail von Ben Stenbeck hervorgezerrt. Wichtiger ist die Gestaltungsfreude, mit der die Horrorgestalten entworfen werden. Von der Arbeit Mike Mignolas her ist der Fan bereits in dieser Hinsicht verwöhnt. Stenbeck muss sich hinter dem Meister nicht verstecken. Zahlreiche Entwurfsskizzen bieten einen Blick auf die Entstehung mancher Figuren. Dabei sieht der Leser, wie gut sich Stenbeck auf jedwedem grafischen Terrain zu bewegen versteht, ob es nun Monströses ist oder ein neu auftretender menschlicher Charakter. Besonders eindrucksvoll sind jene Untoten, die mit Tiefsseetauchanzügen bewehrt ihre Ziele angreifen.
Der Feind meines Feindes ist nicht mein Freund. So könnte man angesichts der Figur von Vater Andre Duvic behaupt, eines Richters der Neuen Inquisition, sich sich gleichfalls auf der Jagd befindet. Gnadenloser noch als Lord Baltimore ist es eine Frage der Zeit, bis die beiden sozusagen ein grandioses erstes Finale bestreiten, bevor Baltimore dem eigentlichen Ziel seiner eigenen Jagd begegnet. Sind die Akte bis dorthin schon sehenswert, bietet der Schluss eine fiebrig spannende Atmosphäre, die über eine weite Strecke bis zum Ende gehalten wird.
Eine prachtvoll gruselige Erzählung, sehr komplex, mit einer charakterlich verhärteten Hauptfigur, deren Ausstrahlung man sich dennoch nicht entziehen kann. Viktorianisches Flair mit modernen Anklängen, stark mit gekonntem Wissen für das Tempo einer Handlung erzählt. Sehr schön. 🙂
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Sonntag, 12. Oktober 2014
Sie war Polizistin. Das hat sie nicht vergessen. Und sie weiß auch noch zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Menschen zu fressen, ist böse. Menschen können böse sein. Und da draußen gibt es noch etwas anderes, das böse ist. Es ist kein Mensch. Es ist kein Zombie. Sie junge Frau hieß Xavier. Sie gehörte zur SWAT. Ihr Verlust fiel auf, doch fand man sie erst heute. Ihre ruhige Art, auch die merkwürdige Idee, eine Pistole verwenden zu wollen, macht sie zu einer Anwärterin für Experimente. Penny Jones ist Wissenschaftlerin und sie hat genau nach einem Untoten wie Xavier gesucht. Aber Xaviers Verstand funktioniert gut genug, um zu beschließen, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Als George A. Romero die lebenden Toten in die Nacht entließ, waren die Dämmerung und der darauf folgende Tag bestimmt noch nicht eingeplant. Der Jahre später dank einiger populärer Videospiele einsetzende Hype um diese Kreaturen war ganz bestimmt nicht vorherzusehen. Aber immerhin nutzte der Erfinder dieses Genres die Gelegenheit und kehrte auf die Bühne der Horrorkreativen zurück. Nach filmischen Fortsetzungen seines Untotenuniversums wagt Romero mit seinem EMPIRE OF THE DEAD als nächster Filmschaffender den Schritt ins Medium Comic und führt dort seine Geschichten fort.
ERSTER AKT. George A Romero verschließt sich eines weiteren Hypes nicht und führt diese in seiner neuen Horrormär zusammen: Zombies und Vampire. Die Welt hat die Existenz der Menschenfresser als alltäglich hingenommen, in die Normalität aufgenommen. Wenn nun noch Vampire existieren sollten und weitaus länger ihr Unwesen trieben, wäre dies zur Aufrechterhaltung einer gewissen Ordnung unzweifelhaft ein Desaster. Dabei leben diese Kreaturen mitten unter den Menschen und besetzen sogar Machtpositionen. Die Ordnung muss noch aus einem anderen Grund aufrecht erhalten werden. Vampire wollen nicht nur Macht, sondern auch Nahrung. Zombies haben das Gleichgewicht der Lebenden und Toten empfindlich gestört und sind zu Nahrungskonkurrenten geworden.
George A. Romero konzentriert sich zuerst auf seine Untoten und knüpft dort an, wo er bereits in LAND OF THE DEAD die ersten Schritte unternahm. Zombies verdummen nicht gänzlich, bewahren sich neben einem Erinnerungsvermögen an ihre ursprüngliche Existenz auch ein minimales Bewusstsein, bei dem einen mal mehr, bei dem anderen weniger. Auch die Menschen sind bereit diesen Umstand anzuerkennen und nützen ihn für ihre Zwecke: einer neuen Form des Gladiatorenkampfes zur Unterhaltung der Massen. Zombies gegen Zombies.
Alex Maleev ist einer jener Zeichner, die einen sehr intuitiven, sehr dokumentarischen Strich haben. Der schnelle Moment wird hier eingefangen Die Welt ist ein dunkler Ort. Selbst am Tage voller Schatten. Die Menschen jagen sich selbst und die Untoten in den Gassen, in den U-Bahn-Schächten, in der ehemals vor Leben überquellenden Metropole New York. Das hat beinahe expressionistische Züge. Die Hingeworfenheit mancher Szene schützt vor zu viel Details und lässt den Betrachter einige Einzelheiten vervollständigen, falls dieser als Fan des Genres mit ähnlichen Szenen bereits in Berührung kam.
Vampire sind gut. Zombies sind besser. Einige Vampire haben ihre Position noch nicht begriffen. Manche Zombies begreifen sehr wohl. Der Mensch ist stärker. Und selbst ihre untoten Cousins instrumentalisieren sie. Hier werden sie zu Resteverwertern degradiert. Da die Menschheit nichts von der Existenz der Blutsauger erfahren soll, entsorgen die Zombies die noch nicht vollkommen verstorbenen Opfer der Vampire. Hier kämpft sich schwarzer Humor nach vorne, der ansonsten zugunsten einer sehr ernsten, düsteren Atmosphäre nicht weiter in Erscheinung tritt.
Eine konsequente Weiterentwicklung der Welt nach einer Zombieapokalypse, wie sie George A. Romero bereits an anderer Stelle beschrieb. Die Zutat Vampire ist neu, gut eingearbeitet, ein Genre-Mix, über den bisherige Puristen entscheiden müssen, ob er ihnen gefällt oder nicht. Romero vermischte die mittlerweile beiden klassischen Kreaturenarten in moderner Erzählweise und baut Komplexität auf, die sich, das ist bei den Erzählsträngen zu erkennen, in der Fortsetzung noch stärker ausweiten lassen wird. Spannender Horror, in dem bestimmt auch etwas düstere Science Fiction verborgen ist. 🙂
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Samstag, 28. September 2013
Negan steht vor dem Tor. In seinem Tross bewegt sich ein immenses Gefolge mit Lastwagen, die allesamt nur darauf warten, ihren Anteil in der kleinen Kolonie hinter Rick Grimes zu plündern. Was wird Rick unternehmen? Diese Frage stellen sich die Männer und Frauen innerhalb der kleinen umzäunten Siedlung und können es kaum fassen, als nichts geschieht und Rick die Fremden tatsächlich gewähren lässt. Sogar als die Medikamente gestohlen werden, so dringend benötigt, hält Rick seine eigenen Leute davon ab, sich zu wehren. Und gerade dieses Verhalten, so durchdacht es auch ist, beschwört beinahe eine Katastrophe herauf.
Grenzen: Es gibt keine mehr. Die nächste Generation in der Erfolgsreihe THE WALKING DEAD wird langsam erwachsen. Der Sohn von Rick Grimes, der sich zahlreichen Prüfungen unterwerfen musste und schon lange kein Kind mehr ist, macht neue Erfahrungen, die ein neuer Psychopath für ihn bereithält. Carl Grimes, Ricks Sohn, hat sich zu einer der bemerkenswertesten Figuren der Reihe entwickelt. Anfangs war er noch ein Kind, doch spätestens seit er glaubte, Probleme mit Waffengewalt lösen zu können, auch bei Menschen, als alles um den kleinen jungen herum zum Teufel ging, hat Autor Robert Kirkman hier einen Comic-Charakter regelrecht heranreifen lassen. Nun, im 18. Band der Reihe THE WALKING DEAD mit dem Untertitel Grenzen, fällt Carl Grimes eine wichtige Rolle zu. Ein Pulverfaß trifft auf ein Pulverfaß, ließe sich auch sagen.
Robert Kirkman gehen nach so langer Zeit die Ideen innerhalb der Serie nicht aus. Der neue Feind ist unberechenbar. Er steckt Schläge ein und lacht. Er tötet mit einem Lachen im Gesicht. Er ist immer auf seinen Vorteil bedacht. Wenn er Gnade walten lässt, hat er dafür einen Grund. Der Blick, den er dem Betrachter auf dem Titelbild des 18. Bandes schenkt, mit einer Art finsteren Milde, spricht Bände und ist nur die Spitze eines Eisbergs. Kirkman verarbeitet die psychopathischen Auswüchse von Negan, dem feindlichen Anführer, auf eindrucksvolle wie auch stets unerwartbare Weise. Sehr langsam kristallisiert sich das Bild einer Gemeinschaft heraus, die sich gegen diese Kreatur wehren könnte. Doch die Mauern aus Angst, die dieser Mann um sich herum gebaut hat, die nun niemand mehr zu überwinden vermag, sind inzwischen viel zu hoch.
Liebe ist die Motivation. Rick Grimes, der einen enormen Wandel im Laufe der Serie erfahren hat, der Angehörige verlor, Freunde, selbst in die Irre geleitet wurde und sich nur mühsam wieder gefangen hat, gerät erneut an den Rand der Beherrschung, als es so aussieht, er habe auch noch seinen Sohn verloren. Insgesamt kann Robert Kirkman die sich hier offen zeigende Dramatik über die volle Länge der Handlung ziehen und schafft so einen neuen Höhepunkt der Reihe, der seine Kraft schon lange nicht mehr aus dem Kampf gegen die lebenden Toten zieht. Denn diese stehen bei den realen Gefahren der Geschichte mittlerweile in der zweiten Reihe. Ein Zombie will fressen, ist langsam und nähert sich gerne im Rudel. Zombies sind berechenbar. Menschen in dieser apokalyptischen Welt sind es nicht. Kirkman beschreibt, wie schnell sich das Blatt wenden kann.
Charlie Adlard ist als Künstler in der beneidenswerten Position, sich über einen langen Zeitraum bestimmten Charakteren widmen und seinen Stil perfektionieren zu können. Rick Grimes und Gefährten kennt er nun aus dem FF, allerdings der Leser ebenfalls und so ist das Erscheinen neuer Figuren auch immer spannend mit anzuschauen. Mit dem Jesus-Charakter, der freilich nur wie der Erlöser aussieht, und Negan wurden zwei spannende Neulinge auf dem Feld platziert. In diesem Band kommt der seit langem ungewöhnlichste Charakter hinzu. Ezekiel, ein weiterer biblischer Name, tritt königlich auf und hat sogar Begleitung. Auch diese macht neugierig auf weitere Auftritte.
Adlard pflegt einen leisen Zeichenstil. Er zeichnet den Kern einer Szene, eines Augenblicks. Großes Theater innerhalb eines Bildes, wie bei manchen Kollegen, gibt es nicht. Handlung geht hier auch vor Bild, doch soll damit die Leistung von Charlie Adlard und seines grafischen Kollegen, dem Koloristen Cliff Rathburn keineswegs geschmälert werden. Im Gegenteil, ist THE WALKING DEAD doch stark dafür verantwortlich, dass der Schwarzweiß-Comic auf dem Comic salonfähig geworden und geblieben ist und gezeigt hat, wie erfolgreich mit diesem Mittel gearbeitet werden kann.
Die Spannungsschraube zieht in diesem im Prinzip neuen Zyklus innerhalb der Reihe enorm an. Nach der Einleitung im vorherigen Band marschiert Robert Kirkman nun mit großen Schritten weiter und reißt den Leser mit. Auch mit Band 18 weiß die Serie noch zu überraschen. Sehr gut! 🙂
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